(jo) Auf "unserer" Etage stehen vier schöne Kachelöfen "Münchner" Bauart. Leider fehlten (wie im ganzen Haus) die Roste und Ofentüren, und Kacheln im Türbereich waren zerbrochen.
Der Ofensetzer, der sich darum kümmern wird, ist ein alter Handwerker, der schon 1972 mit dem Baukombinat unterwegs war, also damals, als in der Eisenbahnstraße die Altbauwohnungen saniert wurden. Damals hieß sie natürlich noch Ernst-Thälmann-Straße.
Auf dem Weg zu einem kleinen Preisnachlass (50 harte Euro pro Ofen) haben wir schon viel über das Handwerk gelernt. Wir mussten nämlich versprechen, die Brennkammern und die Züge selbst auszukehren und die angeknacksten Kacheln zu entfernen. Nach zwei Öfen — soweit sind wir bis jetzt gediehen — sahen Wolfgang und ich aus wie Schornsteinfegermeister oder schlecht geschminkte Morgenlandkinder beim Dreikönigssingen. Dabei war die meiste Asche ja im Müllsack gelandet, alles in allem bestimmt 40 Kilo, und nur ein verschwindender Rest in Nasen, Augen und auf der Haut.
Die Kachelöfen sind aus Lehm und Schamottziegeln gebaut. Über der Brennkammer steigt ein Zug auf, windet sich über zwei oder drei Etagen spiralförmig nach oben, und erreicht in der obersten das Ofenrohr, das die unterwegs wieder abgekühlte Luft zum Kamin führt. Ein zweiter Zug wendelt sich von dort symmetrisch zum ersten nach unten. Er nimmt die hochgewirbelte Asche auf. Nach vier Jahren Benutzung, erklärte mir der Meister, oder bei höhergelegenen Wohnungen auch schon früher, ist er so voll, dass der Ofen nicht mehr "zieht" und beim Heizen stinkt.
Dann ist es Zeit, ihn auszufegen. Dazu nimmt man die glatten Keramikkacheln von der Oberseite ab und öffnet eine weitere Kachel am unteren Ende des "Aschezugs". Das geht ganz leicht, weil der zum Bau verwendete Lehm nur ein paar Spritzer Wasser braucht, um weich zu werden. Dann hebelt man die Kacheln vorsichtig mit einem Schraubenzieher heraus.
Das Werkzeug des Meisters besteht aus Handfeger, zwei großen eisernen Suppenkellen und einer "Ente" genannten Rundbürste mit langem, biegsamem, geflochtenen Drahtstiel. Ausserdem benutzt er noch ein weiteres Küchenutensil, nämlich eine Kastenform. Man schaufelt zuerst so viel Asche wie möglich aus der offenliegenden obersten Etage des Ofens heraus, vorsichtig, um die Lehm-Schamott-Konstruktion nicht zu beschädigen. Anschließend schiebt man Kellen und "Ente" so lange durch die tiefer liegenden Windungen des Feuerzugs, bis die Asche unten aus dem Aschezug herausfällt. Ein bisschen wie Zähneputzen, nur trocken und mit einer Ausbeute von mehreren Eimern schwarzem, bräunlichem und aschegrauem Zahnbelag.
Vom Meister haben wir schließlich noch gelernt, dass die ockerfarbenen Kacheln 22 mal 22 cm messen, früher "sächsische" genannt und in der ganzen DDR verbaut wurden, dass es sich um geschliffene Kacheln ohne umlasierte Kanten handelt, dass sie mit Metallklammern verbunden sind. Ach, es gäbe noch viel zu erzählen aus der geheimnisvollen Kachelofenkunst.
Bilder…
Der dritte Ofen (Büro) nach seiner Reparatur
Der vierte Ofen ist der älteste und schönste in der Wohnung